Dienstag, 10. Juli 2007

Schlechte Berichterstattung über Wissenschaft



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Wissenschaftsberichterstattung in den Medien und Wissen der Bevölkerung sind mangelhaft



Wiesbaden (natur-und-welt) - „Bei der Berichterstattung über Geologie, Paläontologie, Anthropologie und Archäologie der deutschen Medien liegt vieles im Argen“ beklagt der Wiesbadener Wissenschaftsautor Ernst Probst. Man merkt bei Berichten von Redakteuren/innen der Lokalzeitungen und Regionalzeitungen oft sehr schnell, dass der Autor bzw. die Autorin überhaupt keine Ahnung von der Materie hat“, fügt er hinzu.

Ernst Probst hat sich als Autor der populärwissenschaftlichen Bücher „Deutschland in der Urzeit“, „Deutschland in der Steinzeit“ und „Deutschland in der Bronzezeit“ (zunächst C. Bertelsmann, später Orbis-Verlag) einen Namen in der Fachwelt gemacht. Seine Standardwerke über die Steinzeit und Bronzezeit werden sogar in mehreren Bänden des ZEIT-Lexikon erwähnt. Außerdem schrieb er Hunderte von Artikeln für Nachrichtenagenturen sowie für Zeitungen und Zeitschriften.

„Als junger Redakteur hatte ich anfangs ein äußerst bescheidenes Wissen über Geologie, Paläontologie, Anthropologie und Archäologie“, räumt Ernst Probst ein. „Aber es ist ein sehr großer Vorteil, wenn man über komplizierte Sachverhalte so schreibt, das es jeder versteht“.

Im Gegensatz zu den meisten seiner Kollegen/innen bei Tageszeitungen ließ Ernst Probst die Manuskripte seiner populärwissenschaftlichen Artikel von seinem Informanten durchsehen, korrigieren und ergänzen. Auf diese Weise waren seine Texte frei von sachlichen Fehlern, was ihm in der Fachwelt bald einen guten Ruf bescherte.

Einer der wissenschaftlichen Informanten von Ernst Probst sagte einmal: „Wenn ich Artikel Ihrer Kollegen, die mich interviewt haben, lese, meine ich manchmal, ich wäre bei meinen Antworten auf deren Fragen betrunken gewesen. Meine Sätze sind erstaunlich oft völlig verdreht und falsch wiedergegeben“.

Auch Ernst Probst machte mit Journalisten/innen seltsame Erfahrungen. Der Ressortleiter einer großen überregionalen Zeitung etwa hielt Fossilien irrtümlicherweise für Prägedrucke - statt für Reste ausgestorbener Pflanzen und Tiere. Der Feuilletonchef einer Tageszeitung sprach immer von Panthologen statt von Paläontologen.

Ein Wissenschaftspublizist schrieb im Wissenschaftsteil einer der renommiertesten deutschen Tageszeitungen über einen Dinosaurierfund, dies sei der erste in Deutschland. Probst wies in einem Leserbrief darauf hin, dass allein im baden-württembergischen Trossingen Dutzende von Dinosaurier-Skelettresten geborgen wurden. Danach durfte Probst für dieses Blatt nicht mehr zur Feder greifen.

Bei der Lektüre populärwissenschaftlicher Artikel in Tageszeitungen stößt Ernst Probst immer wieder auf dieselben Fehler. Flugsaurier zum Beispiel werden irrtümlich als Dinosaurier bezeichnet. Wenn es um Urvögel geht, liest man oft „der Archaeopteryx“ statt „die Archaeopteryx“. Die Begriffe Paläontologen und Archäologen werden falsch verwendet. Paläontologen befassen sich nämlich mit ausgestorbenen Pflanzen und Tieren, Archäologen mit Hinterlassenschaften früherer Menschen.

Im Kino und im Fernsehen kämpfen gar nicht selten Dinosaurier und Urmenschen erbittert miteinander. Tatsächlich sind aber die letzten Dinosaurier vor etwa 65 Millionen Jahren ausgestorben und die Vormenschen erst seit etwa vier Millionen Jahren nachweisbar. Den Artnamen des Raubdinosauriers „Tyrannosaurus rex“ sieht man häufig falsch („Tyrannosaurus Rex“). Nur wenige Journalisten/innen wissen offenbar, dass Gattungsnamen wie „Tyrannosaurus“ groß und Artnamen wie „rex“ klein geschrieben werden müssen.

Auf der Kinoleinwand und auf dem Fernsehbildschirm wird das Feuer zur Zeit der Neandertaler zwischen etwa 125.000 und 35.000 Jahren erfunden. In Wirklichkeit beherrschten bereits die Frühmenschen viele Jahrhunderttausende früher das Feuer.

Bei Zeitangaben über Perioden der Erdgeschichte wird die Reihenfolge der Zahlen verdreht. Richtig ist: in der Kreidezeit vor etwa 135 und 65 Millionen Jahren, falsch dagegen: vor etwa 65 und 135 Millionen Jahren. Denn die höhere Zahl muss immer zuerst genannt werden.

Wenn die Begriffe „mittlere Altsteinzeit“ oder „jüngere Altsteinzeit“ angebracht sind, schreiben Journalisten/innen gerne von „Mittelsteinzeit“ oder „Jungsteinzeit“, die viel später stattfanden.

Sobald über Neandertaler berichtet wird, schildern Journalisten/innen diese oft als „wahre Vollidioten“ – so Probst. Tatsächlich waren die Neandertaler die ersten Menschen, die ihre Toten bestatteten, religiöse Vorstellungen hatten, Schmuck trugen, musizierten und tanzten. Sie wohnten auch nicht ständig in Höhlen, sondern errichteten Zelte und Hütten und jagten mit Speeren sogar große Säugetiere wie Mammute, Nashörner und Höhlenbären.

Ist von den ersten modernen Menschen, den so genannten Jetztmenschen, die Rede, liest Probst oft im Zusammenhang damit den falschen Begriff „Homo sapiens“ statt „Homo sapiens sapiens“. Beim Wort „Homo“ brechen immer noch Journalisten/innen in Gelächter aus, weil sie damit völlig falsche Vorstellungen verbinden.

Das Leben in der Steinzeit vor etwa 2 Millionen bis vor rund 4.000 Jahren wird in den Medien häufig viel zu primitiv geschildert. Offenbar wissen die Berichterstatter nicht, dass in der Steinzeit viele wichtige Neuerungen eingeführt wurden: Religion, Kunst und Musik, Anfänge der Medizin (erste Schädeloperationen), Entwicklung der Schrift, Ackerbau, Viehzucht und Töpferei, Schifffahrt, Wegebau, Erfindung von Rad und Wagen, Nutzung von Pferden als Reittiere, Errichtung von Holzhäusern und befestigten Siedlungen („Steinzeitburgen“) sowie Verarbeitung von Metallen (Kupfer, Gold, Silber, Bronze).

Wenn über die Bronzezeit (etwa 2000 bis 800 v. Chr.) berichtet wird, bezeichnen Journalisten/innen die Menschen dieses Zeitabschnittes in Deutschland mitunter als Germanen. Doch Germanen existierten erst ab etwa 500 v. Chr. in der Eisenzeit im Norden Deutschlands und zwar gleichzeitig mit den Kelten im Süden Deutschlands.

Obwohl Ernst Probst nicht müde wird, in Artikeln darauf hinzuweisen, dass das Mammut aus dem Eiszeitalter mit einer Größe von maximal 3 Metern ein kleines Rüsseltier im Vergleich zu den 4,50 Meter hohen Waldelefanten und Steppenelefanten war, schreiben Journalisten/innen immer wieder beharrlich die Worte Mammutprogramm oder Mammutsitzung im Sinne von etwas besonders großem. „Das wird sich wohl nie ändern“, resigniert Wissenschaftsautor Probst.

Besonders schlimm sieht es – laut Probst – mit dem Wissen der Bevölkerung über vergangene Zeiten aus. Kaum jemand kennt das Alter der Erde oder weiß, wann das erste Leben auf unserem Planeten entstand. Vom ständigen Klimawechsel, der sich verändernden Verteilung von Land und Meer sowie von wiederholten Meteoriteneinschlägen auf der Erde haben viele Leute angeblich noch nie etwas gehört.

Viele Deutsche bezweifeln das hohe geologische Alter der Fossilien von teilweise Hunderten von Millionen Jahren. „Woher will man das wissen?“ heißt es in diesem Fall fast schon gebetsmühlenartig.

„Wenn ich jemand dann geduldig erkläre, wie heute das geologische Alter von Fossilien ermittelt werden kann, hört er meistens nicht zu und will es gar nicht wissen“. Aber schon bald danach hört man vom selben Zeitgenossen beim selben Thema wieder den Satz „Woher will man das wissen?“ und er fühlt sich noch besonders schlau bei seiner dummen Frage.

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