Dienstag, 27. Mai 2008

Katzenevolution: Die Ahnen von Löwe und Hauskatze

Die Vorfahren der modernen Katzen lebten in Asien. Viel später entstanden auch Hauskatzen dort.

Aus: Spektrum der Wissenschaft, Juni 2008

Wenn Systematiker von „Katzen“ reden, meinen sie damit nicht Stubentiger, sondern Leoparden und Luchse, Pumas und Goldkatzen, Jaguare und Geparden. Sie unterscheiden in der Regel mehrere Dutzend moderne Katzenarten – vom Tiger bis zur Wildkatze. All diese Arten ordnen sie der Raubtierfamilie Feliden, eben Katzen, zu.

Schon die genaue Artenzahl zu benennen fällt schwer, denn viele Katzen ähneln einander äußerlich stark, auch wenn sie verschieden leben und sich in der Natur einander nicht annähern. Noch unklarer war den Forschern bisher der Stammbaum der Katzen. Manche von deren Arten wussten sie darin nicht recht zu platzieren.

Ein amerikanisches Forscherteam aus Genetikern und Ökologen konnte die Evolutionsgeschichte der modernen Katzen nun weitgehend lösen – und zwar durch umfangreiche Genvergleiche. In der Juni-Ausgabe von „Spektrum der Wissenschaft“ berichten die Hauptmitwirkenden Stephen J. O’Brien und Warren Johnson von Labor für genomische Vielfalt am amerikanischen Nationalen Krebsinstitut in Bethesda (Maryland) von diesen Studien. Es gelang den Forschern, von allen derzeitigen Katzenarten, auch von den seltensten, Genproben zu sammeln. Anschließend verglichen sie von 30 Genen längere DNA-Sequenzen. Anhand der Übereinstimmungen und Abweichungen in den Sequenzmustern bestimmten sie die Abstammungslinien und Verwandtschaftsverhältnisse. Mit Hilfe geologischer und einiger sicherer fossiler Datierungen konnten sie anschließend auch das Alter der einzelnen Verästelungen und Verzweigungen festlegen.

Zum Beispiel kam heraus, dass die leopardenähnlichen Vorfahren aller heutigen Großkatzen schon vor 10,8 Millionen Jahren eine eigene Linie begründeten. Daraus gingen sieben heutige Arten hervor: der Löwe und die anderen „brüllenden“ Katzen, außerdem zwei Nebelparder. Sieben weitere Linien folgten. Erst die letzte brachte schließlich unter anderem die Wildkatze hervor, die Stammmutter der Hauskatzen.

Aber O’Brien und Warren zeichnen auch Karten zur Ausbreitungsgeschichte aller Katzenarten. Offensichtlich lebten diese geschickten Räuber schon immer raumgreifend. Sobald Kontinente Landverbindungen aufwiesen, nahmen Katzen diese wahr. Wiederholt gelangten einige von ihnen von ihrer Stammheimat Asien nach Afrika und Nord-, später auch Südamerika. Meist blühten dort schnell neue Arten auf – die später den Rückweg nahmen wie etwa der Gepard, der heute zwar Afrikaner ist, aber ursprünglich aus Amerika stammt. Selbst die Urahnen unserer Hauskatzen waren Amerikaner.

Doch ihre eigentlichen Stammeltern lebten neuen Studien zufolge im Nahen Osten. Die dortige Unterart der Wildkatze, Felis silvestris, ist dem Stubentiger genetisch eindeutig am ähnlichsten. Forscher vermuten, dass die kleinen Räuber schnell begriffen, wie sehr es sich lohnte, bei den ersten Getreidespeichern des Menschen Mäusen und Ratten aufzulauern. Die frühen Bauern duldeten sie darum gern. Wie lieb uns Hauskatzen immer noch sind, beweist nach O’Brien und Warren ihre Zahl von 600 Millionen weltweit. Ihr Aussterben ist nicht zu befürchten – ganz im Gegensatz zu dem der meisten ihrer wilden Verwandten.