Dienstag, 19. Juli 2011

Aufbau der Galaxis - Bausteine der Milchstraße

Wie offene Sternhaufen den Aufbau und die Entwicklung unseres Sternsystems bestimmen

Aus: Sterne und Weltraum, August 2011

Unsere Sonne ist ein Stern. Einer unter vielen Milliarden in unserer Milchstraße. Einige hundert davon können wir in einer klaren Nacht am Himmel mit bloßem Auge sehen. Manche dieser leuchtenden Punkte könnten sogar Geschwister unserer Sonne sein, entstanden zur gleichen Zeit aus der gleichen Wolke aus Gas und Staub im interstellaren Raum.

Heute, nach mehreren Milliarden Jahren und vielen Umläufen um das Zentrum des Milchstraßensystems, haben sich die Spuren der Familienmitglieder verwischt: Die Schwestern unserer Sonne sind untergetaucht in dem weiten Meer aus Lichtpunkten, ziehen viele Lichtjahre von uns entfernt ihre Bahn und werden wohl nie wieder in die Nähe unseres Tagesgestirn geraten.

Fast alle Sterne unserer Milchstraße haben sich im Laufe der Zeit weit vom Ort ihrer Geburt entfernt und dabei ihre Geschwister verlassen. Deshalb bestehen die Spiralarme der Galaxis aus einem Gemisch von Sternen unterschiedlichen Alters und verschiedener Eigenschaften. An manchen Stellen der Milchstraße sind aber lockere Ansammlungen von jungen Sternen erkennbar, die sich in ihren Eigenschaften ähneln. Diese Gruppen, von den Astronomen offene Sternhaufen genannt, haben Dutzende, manchmal sogar Hunderte von Mitgliedern. Die Plejaden sind ein bekanntes Beispiel für solche offenen Sternhaufen, die im Fernglas einen besonders schönen Anblick bieten.

Für die Fachleute sind offene Sternhaufen aber nicht nur ästhetische Gebilde, sondern auch natürliche Laboratorien, in denen sie viel über die Entstehung und Entwicklung von Sternen lernen können. Denn weil alle Mitglieder einer solchen Sternengruppe gleichzeitig aus derselben Staub- und Gaswolke entstanden, haben sie das gleiche Alter und die gleiche chemische Zusammensetzung.

Des Weiteren bewegen sie sich mit ähnlicher Geschwindigkeit durch den Raum. Aus diesen Besonderheiten lässt sich nicht nur die jeweilige Entfernung der offenen Sternhaufen von der Erde ableiten, sondern auch ihre Entwicklung analysieren. In einem mehrjährigen Forschungsprojekt untersuchten Siegfried Röser und Elena Schilbach die offenen Sternhaufen in der weiteren Umgebung der Sonne.

Wie die beiden Wissenschaftler vom Astronomischen Recheninstitut der Universität Heidelberg nun in der August-Ausgabe der Zeitschrift „Sterne und Weltraum“ berichten, muss es insgesamt etwa 100 000 offene Sternhaufen in der Scheibe unseres Milchstraßensystems geben. Etwa 40 Prozent aller Sterne bleiben nach der Geburt in einer solchen Gruppe und verbringen darin ihre Jugend. Sozusagen erst im Erwachsenenalter der Sterne löst sich ein solcher offener Sternhaufen auf und entlässt seine Mitglieder in die Weiten des Milchstraßensystems. Die restlichen 60 Prozent der Sterne sind ebenfalls in Gruppen aus einer Gas- und Staubwolke entstanden, aber ihre jeweilige Geburtsstätte hat sich bereits im Kindesalter aufgelöst.

Aber warum lösen sich manche Sternhaufen rasch auf und andere nicht? Oder anders ausgedrückt: Warum sind manche Sterne Nestflüchter, andere hingegen Nesthocker? Das liegt an einzelnen Mitgliedern: Haben einige der Sterne bei ihrer Geburt deutlich mehr Masse mitbekommen als ihre Geschwister, so sind sie nicht nur größer, sondern auch heißer und leuchten stärker. Damit einher geht ein starker Wind aus atomaren Teilchen, die von ihrer Oberfläche abströmen. Dieser Wind bläst nicht nur das Gas und den Staub der Geburtsstätte auseinander, sondern er treibt gleich den gesamten Sternenhaufen auseinander, wenn dieser nur aus wenigen Mitgliedern besteht.

Auf diese Weise sind 60 Prozent der Sterne in der Scheibe unserer Milchstraße bereits im Kindesalter in den Weiten der Milchstraße verstreut worden. So könnte es unserer Sonne also auch ergangen sein.