Mittwoch, 25. Juli 2007

Der Urwald wird ausgeplündert



In Kambodscha fallen die Baumriesen unter den Augen der Regierung / „Kleptomanische Elite“

Von Robert Luchs

Phnom Pen (natur-und-umwelt) - Auch im fernen Kambodscha, eingebettet zwischen Thailand, Laos und Vietnam, sind die Ursachen des Klimawandels bekannt. Umweltschützer und Experten internationaler Hilfsorganisationen warnen daher die Regierung eindringlich vor einem weiteren Raubbau am einst flächendeckenden Tropenwald. Das Menetel ist nicht mehr zu übersehen: Die Überschwemmungen haben in den vergangenen Jahren Ausmaße angenommen, wie sie in dem südostasiatischen Land früher unbekannt waren. Andererseits führt zunehmende Trockenheit zu Missernten, so dass die Ernährung nicht mehr in allen der über zwanzig Provinzen gesichert ist. In den Seen sinkt der Wasserspiegel, und der Fischbestand nimmt von Jahr zu Jahr ab.

Die Schuld an dieser dramatischen Entwicklung hat die Regierung von Minister-präsident Hun Sen regelmäßig Räuberbanden gegeben, die von Vietnam oder Laos nach Kambodscha eindringen würden und das wertvolle Tropenholz mit großen Trucks abtransportierten. Als sich herausstellte, dass diese Schuldzuweisung nicht ausreichte, um die Dimension des illegalen Holzeinschlags zu erklären, verlegte sich die Regierung in der Hauptstadt Phnom Penh auf die Behauptung, vereinzelt würden Provinzgouverneure am Verkauf der Edelhölzer verdienen – nachzuweisen sei dies allerdings nicht.

Seit Jahren geht die britische Umweltorganisation „Global Witness“ jedem Hinweis auf illegale Aktivitäten nach, sammelt in akribischer Kleinarbeit Beweise für die Machenschaften in den höchsten Kreisen von Politik und Militär. Bevor die britischen Umweltschützer, zu denen auch der Deutsche Marcus Hardtke gehörte, vor zwei Jahren des Landes verwiesen wurden, hatten sie den Waldfrevel vor Ort aufgedeckt und genau dokumentiert. Zunächst kamen Warnungen, dann massive Drohungen, schließlich mussten die beharrlichen Öko-Aktivisten dem politischen Druck weichen.

Selbst die Mahnungen des ehemaligen Königs Norodom Sihanouk verhallten ungehört. „Durch die Abholzung des Tropenwaldes wird die Zukunft Kambodschas und die unserer jungen Generation geopfert,“ schrieb der König schon vor Jahren an „Global Witness.“ Sihanouk hatte erkannt, was die immer noch riesigen Waldbestände für sein Land bedeuten und dass ihre systematische Dezimierung das gesamte Ökosystem verändern werden.

Solche Erkenntnisse stoßen in Regierungskreisen auf taube Ohren. Hemmungslose Gier ist stärker als alle Argumente, stärker als fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse und wohl auch stärker als der Druck der internationalen Gebergemeinschaft. Diese finanziert etwa die Hälfte des kambodschanischen Staatshaushalts und hätte damit einen Hebel in der Hand, um die Regierung zu disziplinieren. Vor zehn Jahren wurde dieser Hebel genutzt: Die Geberstaaten stellten der Regierung ein Ultimatum, forderten ein Ende des Waldraubs und eine Waldreform. Die internationale Gemeinschaft drohte mit dem Stopp der Entwicklungsgelder, sollte die Regierung nicht handeln.

Diese Sprache verstand der Ministerpräsident; Ende der 90er Jahre ließ er eine Waldreform einleiten, die illegalen Holzeinschlag pauschal verbot und mit Geldstrafen drohte sowie den Betreibern von Sägewerken gewisse Auflagen machte. Doch die Baumriesen fielen weiter – tief im Dschungel Kambodschas an den Grenzen zu Vietnam und zu Laos, wo es noch nie auch nur den Versuch einer Kontrolle gegeben hatte. Die Holzdiebe machten gemeinsame Sache mit zahlungskräftigen Abnehmern jenseits der Grenze. Diese rollten vor allem nachts mit schweren Trucks an und verluden die mächtigen Stämme.

Die Waldreform stand lediglich auf dem Papier. Denn niemand, der an dem lukrativen Holzhandel verdiente, ließ sich in die Karten sehen und die dunklen Geschäfte verderben. Kam einmal ein besonders schwerwiegender Fall von Holzraub an die Öffentlichkeit, dann ließ die Regierung für kurze Zeit die Muskeln spielen, versetzte einen Gouverneur und verhängte Geldstrafen. Die großflächige Zerstörung des Regenwaldes aber ging unterdessen weiter. Um so erstaunlicher ist es daher, dass die internationale Gebergemeinschaft in diesem Jahr ihre Zuwendungen an die Regierung Hun Sen sogar noch erhöht hat – wobei zu berücksichtigen ist, dass erstmals China einen Beitrag in Höhe von 91,5 Millionen Dollar geleistet hat.

Ein früherer Mitarbeiter von „Global Witness“, dem inzwischen die Einreise verweigert worden ist, sprach nach gründlichen Recherchen von „einer Monopolisierung des Holzgeschäftes um die machthabende Elite herum, um den Premierminister, seine Verwandten und die Geschäftsleute an seiner Seite.“ Auch neuere Untersuchungen der britischen Umweltorganisation belegen, dass nicht nur Minister von dem Holzdiebstahl profitieren, sondern auch die Spitze der Armee. Simon Taylor, einer der Direktoren von „Global Witnes“ nimmt kein Blatt vor den Mund: „Kambodscha wird mittlerweile von einer kleptomanischen Elite ausgeräubert. Sie stehlen öffentliche Mittel und plündern die Rohstoffe, besonders die Waldreserven. Reserven, die für das ökologische Gleichgewicht nicht nur des Landes von großer Bedeutung sind. Finden sich doch rund 30 Prozent der weltweiten Regenwälder in Südostasien. Die Untersuchungen der Briten decken sich auch mit Analysen der
UN-Landwirtschaftsorganisation FAO. Durch den Waldfrevel habe Kambodscha in den vergangenen fünf Jahren etwa ein Drittel seiner mehr als 100 000 Quadratkilometer großen Urwaldflächen verloren.

Der verbleibende Wald und das ist ein weltweit zu beobachtendes Phänomen – kann sich nur sehr schwer regenerieren, weil das ökologische Gleichgewicht umkippt und die Peioden der Trockenzeit von früher sechs auf inzwischen fast acht Monate im Jahr anwachsen. Andererseits werden die Niederschläge in der Regenzeit so heftig, dass in den vergangenen Jahren in Südostasien sintflutartige Regenfälle zu folgenschweren Überschwemmungen mit höheren Schäden führen.

Für die dringend notwendige Wiederaufforstung der Wälder wird viel zu wenig getan, da es Fachleuten, aber vor allem an Geld fehlt. Die korrupte politische Oberschicht ist am schnellen Dollar interessiert, und der lässt sich ehesten mit illegalem Holzeinschlag im großen Stil verdienen.

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