Dienstag, 10. Juli 2007

Rhein, Main, Mosel, Donau, Oder: Wer ist der älteste Fluss?

Wiesbaden (natur-und-umwelt) - Seit wann gibt es Flüsse auf der Erde? Wie alt sind der Rhein, der Main, die Mosel, die Donau und die Oder? Wer ist der älteste Fluss in Deutschland? Auf diese und andere Fragen gibt das inzwischen vergriffene Taschenbuch "Rekorde der Urzeit" des Wiesbadener Wissenschaftsautors Ernst Probst eine Antwort.

Die ersten Flüsse auf der Erde gab es irgendwann im Präkambrium vor weniger als 4 Milliarden Jahren. Denn seit dieser Zeit fiel Regen auf die Erde nieder, ohne dort sofort zu verdampfen, wie es vorher wegen der hohen Temperaturen der Fall gewesen war. Die damaligen Flüsse strömten durch eine graue bis schwarze Steinwüste, in der es weder pflanzliches noch tierisches Leben gab.

Die ersten Flüsse Deutschlands im Kambrium vor etwa 570 bis 510 Millionen Jahren flossen in Süddeutschland und in Mecklenburg, alle anderen Gebiete waren damals vom Meer bedeckt. Die südliche Küstenlinie des Meeres verlief bis 300 Kilometer nördlich der heutigen Donau etwa auf der Höhe von Frankfurt und Nürnberg. Dort mündeten die kambrischen Flüsse ins Meer. Im Norden lagen Rostock und Stettin auf einer Halbinsel, auf der es ebenfalls Flüsse gegeben haben dürfte.

Zu den ältesten Flüssen Europas gehörte jener, der im Devon vor mehr als 390 Millionen Jahren von Norden her auf dem damaligen Old-Red-Kontinent zwischen England und Skandinavien in Richtung der heutigen holländischen Küste floss. Er wird so breit wie der jetzige Nil gewesen sein. Dieser Fluss ohne Namen besaß ein riesiges Strom- und Deltasystem, das Unmengen von Schlamm und Schutt im Meer ablagerte. Zeugnisse davon sind die Schichtpakete von maximal 10 000 Meter Mächtigkeit im Moseltrog bei Koblenz in Rheinland-Pfalz.

Einer der ältesten Flüsse Bayerns hinterließ in der Karbonzeit vor mehr als 290 Millionen Jahren bei Erbendorf-Weiden südlich des Fichtelgebirges bis zu 150 Meter mächtige Sandschichten mit Geröllen. Letztere werden als die ältesten außeralpinen Flussgerölle Bayerns betrachtet. Der Verlauf dieses Flusses ist nicht bekannt.

Die ältesten versiegenden Flüsse gab es gegen Ende der Permzeit vor mehr als 250 Millionen Jahren. Damals wurde das Klima merklich trockener. Fehlende Niederschläge führten dazu, dass Seen austrockneten und Flüsse versiegten. Nur gelegentlich kam es zu starken periodischen Regengüssen, die dann das Land überfluteten.

Als einer der ältesten Flüsse Deutschlands im Erdmittelalter vor etwa 250 bis 65 Millionen Jahren gilt ein namenloser Fluss bei Lammersdorf in der Westeifel (Rheinland-Pfalz). Er existierte in der frühesten Epoche der Triaszeit irgendwann vor etwa 250 bis 238 Millionen Jahren. Dieser Abschnitt, in dem trockenes Klima herrschte, wird Buntsandsteinzeit genannt. Der Lammersdorfer Fluss hat manchmal seinen Lauf geändert. Bei einer solchen Verlagerung der Flussrinne sind Pflanzen eines oasenartigen Biotops von Sandbänken begraben worden. Der Fluss verlief sich damals vermutlich in einer ausgedehnten, vielfach wüstenartigen Ebene, in die in Norddeutschland bisweilen das Meer eindrang.

Die ersten Flüsse Deutschlands, die vielleicht als Dinosauriertränke dienten, strömten gegen Ende der Triaszeit vor mehr als 220 Millionen Jahren von Skandinavien in die Schweiz. Zu dieser Zeit trennte ein Hochland, die so genannte Vindelizische Schwelle, das Germanische Becken vom Meeresgürtel der Tethys im Süden. Die Vindelizische Schwelle (auch Vindelizisches Land genannt) erstreckte sich damals südlich von Zürich, Augsburg und Regensburg.

Zu den ältesten Flüssen Frankreichs in der Erdneuzeit vor etwa 65 Millionen Jahren bis heute zählen die Flüsse in der Gegend von Cernay bei Reims vor etwa 60 Millionen Jahren im Paläozän. Eine der dortigen Fundstellen mit wissenschaftlich wertvollen Tierfossilien lag in einer offenen Flusslandschaft, eine andere dagegen verweist auf ein Flussdelta an der Meeresküste.

Das älteste Flusssystem in der Gegend des heutigen Oberrheins strömte im Eozän vor etwa 45 Millionen Jahren von Norden nach Süden. Während der Rhein heute von Süden nach Norden fließt, verlief das Gefälle damals noch umgekehrt. Als Teile dieses eozänen Flusssystems bildeten sich ausgedehnte Süßwasserseen. Einer davon war der berühmte Urwaldsee von Messel bei Darmstadt in Hessen.

Der älteste Vorläufer des Mains existierte schon im frühen Oligozän vor mehr als 35 Millionen Jahren. Der Urmain floss allerdings damals nur bis Bamberg wie der heutige Main von Osten nach Westen, von da ab jedoch im heutigen Regnitz/Rednitz-Tal nach Süden und mündete etwa bei Augsburg in das zu jener Zeit im Alpenvorland sich ausbreitende Meer. Vor etwa 14,7 Millionen Jahren wurde der Urmain durch Trümmermassen eines Meteoriteneinschlags (Nördlinger Ries) nördlich von Treuchtlingen zu einem riesigen See aufgestaut, der später wieder auslief.

Zu den ältesten Flüssen Bayerns im Oligozän gehört auch die Urnaab. Dieser Vorläufer des heutigen Donaunebenflusses Naab floss spätestens ab etwa 30 Millionen Jahren auf der schon damals nach Süden geneigten Gegend von Weiden bis mindestens nach Regensburg-Ingolstadt und vereinigte sich wohl nördlich von Augsburg mit dem Urmain. Später mündete die Urnaab in das inzwischen nach Niederbayern vorgedrungene Meer ein. Ihr damaliges Flusstal ist allmählich versumpft. Aus den Pflanzenresten dieser Sumpflandschaft bildete sich unter anderem die Braunkohle von Schwandorf und Wackersdorf.

Die meisten großen Flüsse der Alten Welt haben schon im Miozän vor etwa 23 bis 5,3 Millionen Jahren bestanden. In dieser Zeitspanne existierten beispielsweise bereits der Nil in Ägypten, die Rhone in Frankreich sowie die Donau und der Rhein in Deutschland.

Eine entgegengesetzte Strömungsrichtung wie die heutige Donau hatten die Flüsse im Miozän vor mehr als 15 Millionen Jahren im Alpenvorland. Weil das meist nur geringe Gefälle damals von Osten nach Westen gerichtet war, strömten die Flüsse von Oberösterreich aus zu dem von der Schweiz nach Südwesten zurückweichenden Meer. Das sich von Osten nach Westen ausbreitende Flussnetz wurde vor allem durch die Urenns und Ursalzach gespeist.

Die ersten Anfänge des Rheins lassen sich bis ins Miozän vor etwa 12 Millionen Jahren zurückverfolgen. Das Quellgebiet des Urrheins wird im Bereich des Kaiserstuhl-Massivs vermutet. Der Urrhein hatte teilweise ein anderes Flussbett als heute. Er strömte ab dem Raum Worms quer durch Rheinhessen über Eppelsheim, Bermersheim, den Wissberg bei Gau-Weinheim und den Steinberg bei Sprendlingen (Rheinland-Pfalz) auf die Binger Pforte zu. Die Gegend von Oppenheim, Nierstein, Nackenheim und Mainz hat der Urrhein nicht berührt. Zu ihm kamen die letzten Menschenaffen Deutschlands und andere exotische Tiere zur Tränke.

Die ersten Anfänge der Donau reichen bis vor etwa 7 Millionen Jahren zurück. Die Urdonau drang damals von Niederösterreich aus durch rückschreitende Erosion immer weiter nach Westen in das zugleich mit den Alpen im Westen stärker als im Osten aufsteigende Vorland vor. Dadurch kehrten sich das Gefälle und die Laufrichtung der Flüsse in Süddeutschland in West-Ost-Richtung um. Allmählich gliederten sich immer mehr Zuflüsse vom Gebirge im Süden und von Norden her der Urdonau an, die zunächst auf der Alb-Hochfläche floss und später dann das untere Altmühltal eintiefte. Zu diesen Nebenflüssen gehörte auch der Urmain, der erst im Eiszeitalter seinen Lauf änderte.

Der größte Nebenfluss des Urrheins im Pliozän vor etwa 5,3 bis 2,3 Millionen Jahren war die Urmosel. Zu dieser Zeit ist sie vielleicht sogar länger als der Urrhein gewesen, dessen Quellgebiet damals noch im Kaiserstuhl-Massiv gelegen haben dürfte.

Ihre größte Lange erreichte die Donau wohl etwa vor 5 bis 6 Millionen Jahren in der Übergangszeit zwischen Miozän und Pliozän. Damals bildete die Aare ihren Oberlauf, so dass man für jene Zeit auch von "Aare-Donau" spricht. Erst im mittleren Pliozän vor etwa 3 bis 4 Millionen Jahren verlor die Donau die Aare als Quellfluss. Die Aare wurde damals über die Burgundische Pforte zunächst zur Saone/Rhone abgeleitet, später dann nach Norden zum Oberrhein und wurde so zu einem Teilstück des heutigen Hochrheins zwischen Waldshut und Basel. Heute markieren die Quellflüsse Breg und Brigach bei Donaueschingen den Beginn der Donau, die teilweise unterirdisch oberhalb von Tuttlingen und Immendingen auch zum Rhein entwässert (Donauversinkung) und im "Aach-Topf" nördlich von Singen/Hegau dann wieder zutage kommt.

Die erste Verbindung von Main und Rhein ist irgendwann im frühen Eiszeitalter vor etwa 1,5 Millionen bis 800.000 Jahren erfolgt. Dabei verband sich der im Fichtelgebirge entspringende, ursprünglich nach Südwesten in Richtung Rhonetal abfließende Urmain (auch Bamberger Main genannt) mit dem westwärts strömenden Aschaffenburger Main und erhielt so Anschluss an den Rhein.

Die Anfange der Oder reichen bis in das frühe Eiszeitalter vor mehr als 2 Millionen Jahren zurück. Der Vorläufer der oberen Oder floss damals wie heute. In der Holstein-Warmzeit vor ungefähr 300.000 Jahren mündete die Oder in einen großen Binnensee, der sich von der heutigen Unterelbe über den Berliner Raum, Eisenhüttenstadt bis in den Raum Warschau erstreckte. In der Saale-Eiszeit vor etwa 200.000 Jahren wurde das Oderbruch durch eine Gletscherzunge ausgeschürft. Dieser Senke folgte die untere Oder nach der Saale-Eiszeit, sie nahm damals den aus heutiger Zeit bekannten Lauf ein. In der von etwa 115.000 bis 10.000 Jahren währenden Weichsel-Eiszeit wurde der Unterlauf der Oder mehrfach durch Inlandeis verstopft, wodurch die Oderwasser in den Urstromtälern nach Nordwesten abgelenkt wurden. Ein alter Oderlauf ist heute noch wenig östlich von Rügen durch Tiefenlinien des Ostseebodens zu erkennen.

Das größte Flussdelta der letzten Eiszeit vor etwa 115.000 bis 10.000 Jahren lag östlich von Südengland. In dieser Gegend mündeten damals der Rhein, die Maas und die Themse ins Meer. Die Elbe erreichte etwa auf Höhe der heutigen Doggerbank die Nordsee.

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Der Autor Ernst Probst

Der Wissenschaftsautor Ernst Probst hat sich durch seine Bücher "Deutschland in der Urzeit", "Deutschland in der Steinzeit" und "Deutschland in der Bronzezeit" einen Namen gemacht. Seine Standardwerke über die Steinzeit und Bronzezeit werden in mehreren Bänden des ZEIT-Lexikon erwähnt. Er schrieb insgesamt mehr als 25 Bücher, darunter "Rekorde der Urzeit", "Dinosaurier in Deutschland" (zusammen mit Raymund Windolf", "Monstern auf der Spur" (Wie die Sagen über Drachen, Riesen und Einhörner entstanden), "Nessie" (Das Monsterbuch) und die 14-bändige Taschenbuchreihe "Superfrauen" mit Biografien berühmter Frauen.

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